Ein Eingericht himmlischer Tugend

„In der schändlichen Menagerie unserer Laster

Ist eines noch hässlicher, noch bösartiger, noch schmutziger!

Die Langeweile ist’s!“

Charles Baudelaire warnte schon 1857 vor dieser Blume des Bösen. Im Gegensatz zu diesem Laster, das seitdem noch viele nachfolgende europäische Generationen jeweils für sich als prägend beanspruchten, ist die Langmut, heute geläufiger als Geduld, zu sehen, die – nach antikem Vorbild – im Mittelalter in den Kanon der himmlischen Tugenden aufgenommen worden ist. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass Bergmänner, die aufgrund ihrer gefährlichen Arbeit als tief religiös galten, sich im 18. und 19. Jahrhundert – zu einer Zeit, als noch keine ideologischen Alternativen verfügbar waren – sich nach ihrer Arbeit einem Zeitvertreib widmeten, dessen Endprodukt nach dieser himmlischen Tugend benannt ist: die Geduldsflasche.Weiterlesen »

Die gegerbte Brust

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Die gegerbte Brust der Anna Rieckh (Foto: Lukas Kerbler, Stadtmuseum Retz)

Im 18. und 19. Jahrhundert waren schwere Verletzungen sowie einsetzender Wundbrand die häufigste Ursache für Amputationen. Nicht selten liest man in den chirurgischen Handbüchern jener Zeit die Anweisung, die Amputation möglichst sauber durchzuführen, um den amputierten Körperteil anschließend für die den chirurgischen Anstalten oft angeschlossenen Sammlungen präparieren zu können. Auch die in den „Medicinischen Jahrbüchern des österreichischen Kaiserstaates“ beschriebenen Fallstudien bestätigen diese Praxis. Allein der Lektüre zufolge müssen sich große Mengen amputierter Gliedmaßen im „Museo des k. k. allgemeinen Krankenhauses“ befunden haben. Organe und Weichteile wurden als Feucht- oder Trockenpräparate konserviert, wobei bei letzteren die Gerbung durchaus üblich war. Ein Stück mit großem Seltenheitswert wurde offensichtlich nicht in diese Sammlungen aufgenommen, sondern der Patientin mitgegeben: die „gegärbte weibliche Brust, von Anna Rieckh aus Altstadt Retz No. 118 Operirt Professor Kern Brustkrebs 1813, in Wien“, die sich heute im Stadtmuseum Retz befindet.Weiterlesen »